Wo der Speik gleich 4 Mal spukt

Wer glaubt, dass es nur einen Speik gibt, hat sich nockig getäuscht! In den Nockbergen stolpert man nicht nur über den berühmten, gelblich bis braunrötlich blühenden Echt-Speik aus der Familie der Geißblattgewächse, sondern findet daneben auch einen strahlend gelb, blau und lila blühenden „Speik“. Wie das?

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Abb. oben: Nur 5-15 cm streckt sich der Echt-Speik der Ostalpen in die Höhe und wird neben Arnika und Ferkelkraut oft übersehen. (Foto: Vogt D.)

Die Älpler bezeichneten einst auffallend blühende oder kräftig riechende Gebirgspflanzen ungeachtet von volkstümlicher Nutzung oder botanischer Verwandtschaft schlicht als „Speik“. In drei Pflanzenfamilien, nämlich Korbblütlern, Primel- und Geißblattgewächsen, entdeckten Hirten und Sennen besonders häufig einen Speik. Aus diesem Grund spukt die mundartliche Bezeichnung bis heute in Flurnamen, Kartenmaterial und alten Überlieferungen umher und sorgt bei mindestens vier Pflanzenarten für Verwirrung. Rund um den Falkert und Rödresnock findet man alle Viere auf einen Streich.

Abb. oben: Im berühmten Kräuterbuch des Arztes und Botanikers J. T. Tabernaemontanus (1588) galt die „Keltische Narde“, wie der Echt-Speik damals bezeichnet wurde, als Heilmittel gegen Lebergeschwülste, Gelbsucht, Meteorismus und Tierbisse. (Foto: Vogt D.)

Keltische Narde statt Himalaya-Import

Schon beim Echt-Speik (Valeriana celtica) ist bemerkenswert, dass die Baldrianart weltweit nur in den Westalpen und in einer 300 km entfernt liegenden Exklave, nämlich bei „uns“ in den Gurktaler bzw. Norischen Alpen zu finden ist. Die disjunkte Verbreitung führte zur Ausbildung zweier Unterarten, dem Westlichen Echt Speik (Valerian celtica ssp. celtica) und dem Östlichen Echt Speik (Valeriana celtica ssp. norica). Die intensiv riechende Wurzel zählte einst zu den wenigen Drogen, die über die Seidenstraße von Europa nach Asien und nicht wie üblich anders herum exportiert wurden. In Mitteleuropa wurde sie spätestens in der Renaissance als Ersatzdroge der bislang aus dem Himalaya eingeführten und kostspieligen „Indischen Narde“ verwendet, mit der man ein balsamisches Öl für Heilzwecke herstellte.

Wer sich hoffnungsvoll die Wanderschuhe anschnallt, um einen in der Wanderkarte eingetragenen „Speikboden“ zu erkunden, wird am Ende allerdings nur Blau sehen. In diesem Fall lockt der Flurname den Ahnungslosen geradewegs in einen alpinen Krummseggenrasen, in dem sich die Kleb-Primel (Primula glutinosa) als „Blauer Speik“ so richtig wohl fühlt. Im Regelfall pfeift dort der Wind und der feuchte Silikatboden in der Nähe von Kuppen lädt nicht zur gemütlichen Rast ein.

Abb. oben: Hinter dem „Blauen Speik“ verbirgt sich die Kleb-Primel. Beide Namen sind passend, denn die durch winzige Drüsen klebrige Pflanze riecht auch imposant, wie es sich für einen „Speik“ gehört. (Foto: Vogt D.)

Der mit Abstand seltenste Speik in den Gurktaler Alpen ist aber der „Rote Speik“. In wenigen Generationen wird dieser mundartliche Namen wahrscheinlich vergessen sein, denn Einheimische, die um seine Existenz in Felsspaltengesellschaften wussten sind ausgestorben und in der letzten Auflage der Exkursionsflora für Österreich wird das purpurn blühende Primelgewächs nur mehr als „Östliche Rotdrüsen –Primel“ (Primula villosa) geführt. Man benötigt schon etwas Glück, um ihre am Fels anliegenden Rosetten aus breit-eiförmigen und mit dunkelköpfigen Drüsenhaaren ausgestatteten Blätter zu finden, die entfernt an einen „Petergstamm“ (Primula auricula) erinnern.
Wo versteckt sich aber der vierte und giftige Speik? Wir finden den „Gelben Speik“, wie ihn früher vor allem die Salzburger bezeichnet haben, meist in Gesellschaft mit zwei anderen „Gelben“, nämlich der Berg-Arnika (Arnica montana) und dem Einkopf-Ferkelkraut (Hypochaeris uniflora) im Bürstlingsrasen. Sein deutscher Büchername „Krain-Greiskraut“ (Jacobea incana ssp. carniolica) ist allerdings noch irreführender als „Gelber Speik“, denn in der gesamten Krain findet man den Korbblütler nur am Weinasch, einem Berg in der Südkarawanken, während die Hauptverbreitung in den Norischen Alpen liegt.

Abb. oben: In der gesamten Krain wächst das Krain-Greiskraut nur auf dem Weinasch. Die Hauptverbreitung des „Gelben Speiks“ liegt in den Norischen Alpen.(Foto: Vogt D.)

Die Bezeichnung „Greiskraut“ oder „Greisenkraut“ stammt von der Übersetzung des ursprünglichen Gattungsnamen „Senecio“, dass sich vom lateinischen Wort „senex“ ableitet und so viel wie „alt“ oder „Greis“ bedeutet. Der Name bezieht sich auf weiß-silbrige Pappushaare der Samen. Alle bisher untersuchten Vertreter dieser Gattung sind berühmt für ihre chronische Toxizität durch den hohen Gehalt an leberwirksamen Pyrrolizidin-Alkaloiden und sollten nicht verwendet werden, wenn man nicht vorzeitig zum „senex“ werden will.

Speik oder Hodrat für sei Madl?

Welchen Speik soll man nun seinem „Diandl“ bringen, wie in einem Kärntner Volkslied andächtig gesummt wird? Am besten gar keinen, denn der Echt-Speik und beide Primelgewächse sind vollkommen geschützt. Wenn sich das Madl später einmal zur unliebsamen Schwiegermutter entwickeln sollte, ist man mit dem akut hochtoxischen Eisenhut ebenfalls besser beraten als mit dem chronisch toxischen „Gelben Speik“, der durch Weidebetrieb und Almwirtschaft zunehmend unter Druck gerät.

Abb. oben: Die Gämsheide bildet mit ihren Rollblättern dermaßen kompakte Spaliere, dass man mit dem Finger kaum hineinbohren kann. Im Inneren herrscht eine eigene klimatische Welt: Selbst wenn der Sturm tobt, hat es selten unter 80% Luftfeuchtigkeit und die kostbare Feinerde bleibt vor Winderosion geschützt. (Foto: Vogt D.)

Wenn man es dem verliebten Kärntner „Bua“ nachahmen möchte und auf dem Rücken der Moschelitzen für sei Madl einen „Hoadrastrauß“ binden will, wie in einem Heimatlied empfohlen wird, hat man als Pflanzenkundiger die Qual der Wahl. Mit dem „Hodra(t)“ oder „Haderichkraut“ sind Vertreter der Familie der Heidekrautgewächse gemeint, die in alpinen Windheiden oder im Unterwuchs des Kampfwaldes in mehreren Arten vertreten sind. In die engere Auswahl fallen aber Besenheide (Calluna vulgaris), Rostrote Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) und die Alpenazalee (Loiseleuria procumbens). Letztere zählt zu den windhärtesten Gestalten am Berg und bildet die für die Rücken der Nockberge typischen Gämsheidespaliere.

Abb. oben: Ein oft anzutreffendes windhartes Trio bilden Totengebeinsflechte (graue Lager) und Isländische Flechte (dunkelrotbraune Lager) im Teppich der rot blühenden Gämsheide. (Foto: Vogt D.)

In den Nockbergen findet man auch die „kleinsten Bäume der Welt“, wie Ritter Carl von Linné zwergstrauchwüchsige Weiden einst bezeichnete. Ähnlich den Heidekrautgewächsen zeigen einige Vertreter der Gattung Weide eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit von Holzpflanzen an das alpine Klima. Der Trick ist im Grunde einfach und erinnert an Winnetou: Immer schön in Deckung bleiben und die „Lauscher“ (Blätter) am Boden halten. Die drei häufigsten alpinen Weiden rund um Falkert und Rödresnock sind Alpen-Weide (Salix alpina), Stumpfblatt-Weide (Salix retusa) und die unterirdisch kriechende Kraut-Weide (Salix herbacea).

Abb. oben: Palmbuschen für Zwerge? Nur wenige Zentimeter ragen hier die rötlichen Blütenstände einer Alpen-Weide über die Felsplatte. Nur die grüngelbe Landkartenfleche bietet weniger Angriffsmöglichkeit für Wind- und Schneedruck. (Foto: Vogt D.)
Abb. oben: In Schneebodengesellschaften entdeckt man die 1 ½ cm langen Kätzchen der Stumpfblatt-Weide. Die meist ganzrandigen Blätter besitzen 4-6 bogige Seitennerven. Ostern müsste man mit diesem blühenden Weihbuschen 2 Monate später als üblich feiern. (Foto: Vogt D.)

Mit zunehmender Höhe, verstärktem Winddruck und unsicherem Schutz einer Schneedecke vor der gefährlichen Frosttrocknis im Frühjahr wird es auch den „Miniatur-Weiden“ zu ungemütlich. Andere Alpinisten zeigen dann ihre Talente:

Abb. oben: Ein Wulfen-Mannsschild „hängt“ hier mit seinem Polster aus braunen abgestorbenen Blattrosetten, grünen nicht-blühenden und blühenden Rosetten im Silikatfels. Das Primelgewächs ist ein Endemit der Ostalpen und nur in den Gurktaler Alpen, Niederen Tauern und Seetaler Alpen zu sehen. (Foto: Vogt D)
Abb. oben: Das „Gelbe Bergveilchen“ (Viola biflora) verhält sich oft wie ein Kuckuck und findet im schützenden Polster der rosa blühenden Silikat-Polsternelke (Silene exscapa) ein gemütliches „Nest“. Den gleichen Trick hat auch der Lebendgebärende Knöterich (Bistorta vivipara) mit den dunkelgrün lanzettlichen Blättern (rechts unten). (Foto. Vogt D.)
Abb. oben: Nicht der aus Südosteuropa stammenden gelbe Enzian, nicht das aus Asien eingewanderte Edelweiß, sondern dieses Gras ist typisch für unsere Alpen, also wirklich alpisch! Die Krummsegge (Carex curvula) ist die Charakterart der meist oberhalb von 2000 Meter in kalt-windigen Lagen entwickelten Krummseggenrasen. Das Sauergras wird obligatorisch von einem Pilz befallen und führt zum typischen Einrollen und Krümmen der Blätter. Im Bild recht unten sieht man eine typische Begleitpflanze – die Rosette einer Kleinst-Primel (Primula minima). (Foto: Vogt D.)
Abb. oben: Ein Meer aus Alpen-Küchenschellen (Pulsatilla alpina) begrüß den Frühsommer im Sonntagstal zwischen Falkert und Rödresnock. Wer will da auf der künstlichen Heidi-Alm mit Plastik-Peter und lackierten Schafen noch hocken bleiben? (Foto: Vogt)

Die abschließende Empfehlung an alle Kärntner Buam lautet: Nicht immer strikt an das Kärntner Lied halten, das Speikkramperl z‘Haus liegn lassn und statt die Bergbliah owi besser das Madl mit aufi nehmen.

Viel Spaß beim Nocken wünscht Euer Phytagoras!