Wo der Speik gleich 4 Mal spukt
Wer glaubt, dass es nur einen Speik gibt, hat sich nockig getäuscht! In den Nockbergen stolpert man nicht nur über den berühmten, gelblich bis braunrötlich blühenden Echt-Speik aus der Familie der Geißblattgewächse, sondern findet daneben auch einen strahlend gelb, blau und lila blühenden „Speik“. Wie das?
Die Älpler bezeichneten einst auffallend blühende oder kräftig riechende Gebirgspflanzen ungeachtet von volkstümlicher Nutzung oder botanischer Verwandtschaft schlicht als „Speik“. In drei Pflanzenfamilien, nämlich Korbblütlern, Primel- und Geißblattgewächsen, entdeckten Hirten und Sennen besonders häufig einen Speik. Aus diesem Grund spukt die mundartliche Bezeichnung bis heute in Flurnamen, Kartenmaterial und alten Überlieferungen umher und sorgt bei mindestens vier Pflanzenarten für Verwirrung. Rund um den Falkert und Rödresnock findet man alle Viere auf einen Streich.
Keltische Narde statt Himalaya-Import
Schon beim Echt-Speik (Valeriana celtica) ist bemerkenswert, dass die Baldrianart weltweit nur in den Westalpen und in einer 300 km entfernt liegenden Exklave, nämlich bei „uns“ in den Gurktaler bzw. Norischen Alpen zu finden ist. Die disjunkte Verbreitung führte zur Ausbildung zweier Unterarten, dem Westlichen Echt Speik (Valerian celtica ssp. celtica) und dem Östlichen Echt Speik (Valeriana celtica ssp. norica). Die intensiv riechende Wurzel zählte einst zu den wenigen Drogen, die über die Seidenstraße von Europa nach Asien und nicht wie üblich anders herum exportiert wurden. In Mitteleuropa wurde sie spätestens in der Renaissance als Ersatzdroge der bislang aus dem Himalaya eingeführten und kostspieligen „Indischen Narde“ verwendet, mit der man ein balsamisches Öl für Heilzwecke herstellte.
Wer sich hoffnungsvoll die Wanderschuhe anschnallt, um einen in der Wanderkarte eingetragenen „Speikboden“ zu erkunden, wird am Ende allerdings nur Blau sehen. In diesem Fall lockt der Flurname den Ahnungslosen geradewegs in einen alpinen Krummseggenrasen, in dem sich die Kleb-Primel (Primula glutinosa) als „Blauer Speik“ so richtig wohl fühlt. Im Regelfall pfeift dort der Wind und der feuchte Silikatboden in der Nähe von Kuppen lädt nicht zur gemütlichen Rast ein.
Der mit Abstand seltenste Speik in den Gurktaler Alpen ist aber der „Rote Speik“. In wenigen Generationen wird dieser mundartliche Namen wahrscheinlich vergessen sein, denn Einheimische, die um seine Existenz in Felsspaltengesellschaften wussten sind ausgestorben und in der letzten Auflage der Exkursionsflora für Österreich wird das purpurn blühende Primelgewächs nur mehr als „Östliche Rotdrüsen –Primel“ (Primula villosa) geführt. Man benötigt schon etwas Glück, um ihre am Fels anliegenden Rosetten aus breit-eiförmigen und mit dunkelköpfigen Drüsenhaaren ausgestatteten Blätter zu finden, die entfernt an einen „Petergstamm“ (Primula auricula) erinnern.
Wo versteckt sich aber der vierte und giftige Speik? Wir finden den „Gelben Speik“, wie ihn früher vor allem die Salzburger bezeichnet haben, meist in Gesellschaft mit zwei anderen „Gelben“, nämlich der Berg-Arnika (Arnica montana) und dem Einkopf-Ferkelkraut (Hypochaeris uniflora) im Bürstlingsrasen. Sein deutscher Büchername „Krain-Greiskraut“ (Jacobea incana ssp. carniolica) ist allerdings noch irreführender als „Gelber Speik“, denn in der gesamten Krain findet man den Korbblütler nur am Weinasch, einem Berg in der Südkarawanken, während die Hauptverbreitung in den Norischen Alpen liegt.
Die Bezeichnung „Greiskraut“ oder „Greisenkraut“ stammt von der Übersetzung des ursprünglichen Gattungsnamen „Senecio“, dass sich vom lateinischen Wort „senex“ ableitet und so viel wie „alt“ oder „Greis“ bedeutet. Der Name bezieht sich auf weiß-silbrige Pappushaare der Samen. Alle bisher untersuchten Vertreter dieser Gattung sind berühmt für ihre chronische Toxizität durch den hohen Gehalt an leberwirksamen Pyrrolizidin-Alkaloiden und sollten nicht verwendet werden, wenn man nicht vorzeitig zum „senex“ werden will.
Speik oder Hodrat für sei Madl?
Welchen Speik soll man nun seinem „Diandl“ bringen, wie in einem Kärntner Volkslied andächtig gesummt wird? Am besten gar keinen, denn der Echt-Speik und beide Primelgewächse sind vollkommen geschützt. Wenn sich das Madl später einmal zur unliebsamen Schwiegermutter entwickeln sollte, ist man mit dem akut hochtoxischen Eisenhut ebenfalls besser beraten als mit dem chronisch toxischen „Gelben Speik“, der durch Weidebetrieb und Almwirtschaft zunehmend unter Druck gerät.
Wenn man es dem verliebten Kärntner „Bua“ nachahmen möchte und auf dem Rücken der Moschelitzen für sei Madl einen „Hoadrastrauß“ binden will, wie in einem Heimatlied empfohlen wird, hat man als Pflanzenkundiger die Qual der Wahl. Mit dem „Hodra(t)“ oder „Haderichkraut“ sind Vertreter der Familie der Heidekrautgewächse gemeint, die in alpinen Windheiden oder im Unterwuchs des Kampfwaldes in mehreren Arten vertreten sind. In die engere Auswahl fallen aber Besenheide (Calluna vulgaris), Rostrote Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) und die Alpenazalee (Loiseleuria procumbens). Letztere zählt zu den windhärtesten Gestalten am Berg und bildet die für die Rücken der Nockberge typischen Gämsheidespaliere.
In den Nockbergen findet man auch die „kleinsten Bäume der Welt“, wie Ritter Carl von Linné zwergstrauchwüchsige Weiden einst bezeichnete. Ähnlich den Heidekrautgewächsen zeigen einige Vertreter der Gattung Weide eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit von Holzpflanzen an das alpine Klima. Der Trick ist im Grunde einfach und erinnert an Winnetou: Immer schön in Deckung bleiben und die „Lauscher“ (Blätter) am Boden halten. Die drei häufigsten alpinen Weiden rund um Falkert und Rödresnock sind Alpen-Weide (Salix alpina), Stumpfblatt-Weide (Salix retusa) und die unterirdisch kriechende Kraut-Weide (Salix herbacea).
Mit zunehmender Höhe, verstärktem Winddruck und unsicherem Schutz einer Schneedecke vor der gefährlichen Frosttrocknis im Frühjahr wird es auch den „Miniatur-Weiden“ zu ungemütlich. Andere Alpinisten zeigen dann ihre Talente:
Die abschließende Empfehlung an alle Kärntner Buam lautet: Nicht immer strikt an das Kärntner Lied halten, das Speikkramperl z‘Haus liegn lassn und statt die Bergbliah owi besser das Madl mit aufi nehmen.
Viel Spaß beim Nocken wünscht Euer Phytagoras!