Ist sie vielleicht die neue Wunderpflanze gegen chronische Polyarthritis? Im Arthritis-Lebendmodell zeigt das Siegesbeckienkraut (Sigesbeckia pubescens) oder „St. Pauls Kraut“ klinische Gleichwertigkeit mit Nichtsteroidialen Antirheumatika und leichte Überlegenheit hinsichtlich einiger Entzündungsfaktoren. Die Erfahrung zeigt aber, dass nicht die Einzeldroge alleine, sondern eine auf Symptome und Konstitution des Individuums abgestimmten Drogenkombination in der Praxis zum Ziel führt. (Graphik: Vogt)

Rheumatische und degenerative Gelenkerkrankungen in der Phytotherapie

Mit traditionellen Medizinkonzepten und moderner Forschung zu neuen Strategien

Motivation

Endet die westliche Phytotherapie bei rheumatischen und degenerativen Gelenkerkrankungen auch in Zukunft immer mit Teufelskralle, Weihrauch und Weide oder sollte sie klinisch bewährte Arzneipflanzen und Therapiekonzepte anderer Medizintraditionen verstehen und für sich nutzen lernen?

Während sich die „antirheumatische“ Therapie des Westens auf Schmerzlinderung und Entzündungshemmung konzentriert und die Lage betroffener Strukturen, die individuelle Symptomatik und die Konstitution des Erkrankten wenig Konsequenz für die Arzneimittelwahl besitzt, bietet die asiatische Phytotherapie eine sehr differenzierte und rationale Vorgehensweise mit einer Vielzahl an gut verfügbaren und teils intensiv erforschten Arzneipflanzen an.

Abb. oben: Wegen seiner „Wind-Feuchtigkeit zerstreuenden“ und „Leitbahnen öffnenden“ Eigenschaften wird der Großblatt-Enzian in der chinesischen Phytotherapie sehr häufig bei schmerzhaften Blockade-Syndrom („Rheuma“) eingesetzt. Im Unterschied zu anderen Gattungsvertretern wird sein Wesen als thermisch neutral und nicht Yin-reduzierend eingestuft. Im Arthritis-Lebendmodell vermitteln die Bitterstoffe der Wurzeldroge einen Schutz vor strukturellen Veränderungen von Gelenkinnenhaut und Gelenkknorpel, zudem geht die Forschung von einer Modulation des Schmerzgedächtnisses aus. (Foto: ©Oleg Kosterin)

Bis heute sind die Ursachen von rheumatischen Beschwerden unbefriedigend aufgeklärt und auch wenn man eine Reihe immunologischer Prozesse und molekularer Ziele im Krankheitsgeschehen entschlüsseln und identifizieren konnte, fehlt der Bezug zum restlichen Organismus. Das Konzept der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) setzt rheumatisch-entzündliche sowie degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates mit Störungen anderer Ebenen unseres Körpers in Beziehung und bietet damit auch einen kausalen Therapieansatz an.
Ein gutes Beispiel liefert die Maulbeermistel (Taxillus chinensis), die nach Vorstellung der TCM nicht nur „Wind-Feuchtigkeit“ bei schmerzhafter Blockade ausleitet, sondern bei Schwäche im Funktionskreis Leber und Niere auch stützt und ergänzt und damit die Anfälligkeit für Störungen dieser Art reduziert. Aus westlicher Sicht vereinigt die Arznei immunmodulierende und supplementierende Eigenschaften.

Abb. oben: In der asiatischen Heilpflanzenkunde liefern die Blätter und Zweige der Maulbeermistel (Taxillus chinensis) eine „Wind-Feuchtigkeit ausleitende“, also antirheumatische Arznei, die auf Grund ihrer nährenden und ergänzenden Eigenschaften auch bei degenerativen Gelenk- und Sehnenerkrankungen sowie bei Osteoporose genutzt wird. Im Osteoporose-Lebendmodell kommt es nicht nur zu einer Reduktion von Knochenabbaumarkern, sondern auch zu einer relevanten Zunahme der Knochendichte. (Foto: Vogt)

Über Jahrhunderte hat die traditionelle Heilpflanzenkunde weltweit unterschiedliche Zugänge und Therapiestrategien zur Begleitung rheumatischer und degenerativer Gelenkerkrankungen gefunden. Dazu zählt z.B. die „Umstimmungstherapie“ mit typischerweise „Hitze klärenden“ Pflanzenarzneien oder die „antidyskratische Stoßtherapie“, welche im Dosha-Konzept des Ayurveda bzw. in der europäischen Humoralpathologie verankert sind, die „Bindegewebsentlastung“ mit entzündungshemmenden Aquaretika wie Birke, Brennnessel, Echt-Goldrute oder neuerdings auch mit der Blattdroge der Schwarz-Ribisel, das Konzept des „schmerzhaften Blockadesyndroms“ (Bi Zheng) mit dem Einsatz von sog. „Wind-Feuchtigkeit vertreibenden“ und „Leitbahnen öffnenden“ Pflanzenarzneien oder der Einsatz von pflanzlichen „Ergänzungsmitteln“ bei Mangel in den Funktionskreisen Leber und Niere.

Abb. oben: Die Wurzel der „Gebirgsangelika“ (Hansenia weberbaueriana) gilt als warme, scharfe und bittere Arznei. Aus diesem Grund wird sie gerne bei schmerzhaftem Blockade-Syndrom durch Wind-Feuchtigkeit mit Kälte-Symptomatik verwendet. Sie ist zudem eine Meldearznei für den oberen Rücken bis zum Hinterhaupt und den Schultergürteln. Diese zunächst sonderbar anmutende Arzneimittelbeschreibung ermöglicht dem Therapeuten eine differenzierte Arzneimittelwahl, da sie Auskunft über die Wesenseigenschaften und den bevorzugten Wirkort angibt. Damit gelingt eine personalisierte Medizin. (Foto: Vogt)

Die westliche Phytotherapie verwendet bei leichten bis moderaten Störungen im Bewegungsapparat zwar eine Handvoll klinisch befriedigend wirksamer Pflanzenarzneien, besitzt aber gegenwärtig kein Konzept für eine differenzierte Arzneimittelwahl zum Erreichen einer individualisierten Therapie. Eine rationale Drogenauswahl nach Lage der Beschwerden, spezieller Symptomatik und Konstitution des Erkrankten kennt sie nicht. So werden beispielsweise Weide, Pappel, Birke, Brennnessel, Goldrute, Teufelskralle, Weihrauch oder Hagebutte in der Regel undifferenziert nach Bauchgefühl oder nach greifbarem Fertigarzneimittel werbungsabhängig ausgewählt. Mit dem Konzept der sogenannten Meldearzneien und der Wesensbeschreibung von „antirheumatischen“ Pflanzendrogen zeigt die TCM, wie eine gezielte Auswahl für eine personalisierte Medizin möglich wird.

Abb. oben: Die Weiße Pfingstrose, volkstümlich auch als „Gichtrose“ bekannt, erreicht deutlich tiefer liegende und mehr spezielle Ebenen im rheumatischen Entzündungsgeschehen als z.B. die Weidenrinde oder auch der bekannte COX-Hemmer Diclofenac, welche vorwiegend in den Arachidonsäurestoffwechsel eingreifen. Mit der Wurzeldroge gibt es auch gute klinische Erfahrung bei schmerzhaften, degenerativen Sehnenerkrankungen, für welche die rationale westliche Phytotherapie keinen systemischen Zugang kennt. (Foto: ©Vladimir Arkhipov)

Seminarziele

  • Kennenlernen von klinisch bewährten Pflanzendrogen in traditionellen Konzepten (TCM, Ayurveda), medizinischer Forschung und Anwendung.
  • Erarbeitung von immunologischen und physiologischen Grundlagen zum Verstehen von molekularen und systemischen Angriffspunkten einer pflanzengestützten „Rheumatherapie“.
  • Einführung in das Konzept und die Verwendung von Meldearzneien bei schmerzhaftem Blockadesyndrom (Bi Zheng).
  • Einführung in das Konzept der Umstimmung und Antidyskrasie mit ausgewählten Pflanzendrogen.
  • Updates zu Arzneipflanzen der westlichen rationalen Phytotherapie.
  • Evaluierung und Adaptierung von historischen Rezepturen.
  • Gemeinsames magistrales Rezeptieren an Hand von Fallbeispielen.

Schwerpunkte:

  • Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis)
  • Degenerative Gelenkerkrankungen
  • Bei ausreichend Zeit können auch Tendopathien, Juvenile Arthritis und Lyme-Arthritis kurz beleuchtet werden.

Leistungsumfang:

  • Interaktives Kleingruppenseminar
  • Zusammenführung von Tradition und Wissenschaft für die Phytopraxis
  • Anschauungsdrogen mit ausgewählten Teeverkostungen
  • Gemeinsames magistrales Rezeptieren
  • Umfangreiches Handout mit Rezeptbeispielen und Übungen

Anmeldung:

Veranstaltungsort:

Kirchenstraße 8, 9071 Köttmannsdorf, Kärnten

  • unterer oder oberer Pfarrsaal