Befreiungsversuch für die Skabiose

Abb. oben: Ein vertrauter Herbstaspekt in den südlichen Kalkalpen: Die arttypisch langen Kelchborsten einer Glanz-Skabiose fangen die letzten Sonnenstrahlen ein. Gibt es für die Skabiose in der Phytotherapie noch Platz? (Foto: Karawanken, Vogt D.)

An Skabiosen geht man gerne stillschweigend vorbei. Oder gehörte das blauviolette Köpfchen am Wegrand vielleicht doch zu einer Witwenblume? Wer die Geduld aufbringt, um bis fünf zu zählen, kann zumindest diesen Zweifel leicht beseitigen, denn im Unterschied zu Vertretern der Gattung Knautia besitzen die fünf in Österreich heimischen Skabiosenarten nicht vier-, sondern fünfspaltige Kronröhren. Obwohl die ersten Bemühungen für eine botanische und damit auch ethnomedizinisch bedeutsame Trennung verschiedener Kardengewächse bis in die Renaissance zurückreichen, scheiterte die Entwirrung von Skabiosen und Witwenblumen auf weiter Strecke. Das Erbe besteht in zahlreichen nutzlosen und nicht nur für den Laien irreführenden Synonymen. Am Ende wurde selbst in Apotheken Acker-Witwenblumenkraut unglücklich als „Herba scabiosae“ über den Ladentisch gereicht. Damit erklärt sich die bis heute anhaltende Gleichbehandlung von Skabiosen und Witwenblumen in der alpenländischen Volksheilkunde und erschwert die zweifelsfreie Zuordnung von medizinischen Erfahrungswerten mit Gattungsvertretern. Wäre für die zarte Skabiose neben ihrer großen Schwester, der wehrhaften Karde, aber überhaupt noch ein Platz in der Phytotherapie?

Abb. oben: Man muss schon etwas näher heran, um die gattungstypischen 5-spaltigen Kronröhren der Skabiose zu erkennen. Andernfalls landen Skabiosen gemeinsam mit den Witwenblumen im Sammelkorb der „Knopfblumen“. Das Köpfchen verrät allerdings nicht, dass es sich hier um die seltene Leimkrautblatt-Skabiose (S. silenifolia) handelt. (Foto: Krainer Schneeberg, ©Vogt)

Der erfolgreiche Aufbau einer reproduzierbaren Erfahrungsheilkunde beginnt mit dem sicheren Erkennen der Pflanze. Wir starten deshalb mit attraktiven „Rüschen“ am Herbstkleid.

Gut „gerüscht“ und somit eine Skabiose! Innerhalb der Kardengewächse besitzen nur Skabiosen einen durchgehenden Hautsaum auf dem Außenkelch. Die an kleine Krater erinnernden Innenkelche besitzen bei dieser Art keine Borsten, weshalb dieses Köpfchen nur einer Süd-Skabiose (S. triandra) gehören kann. So einfach kann Pflanzenbestimmung sein! (Foto: ©Vogt)

Rüschen am Herbstkleid

Lange bevor die Rüsche in der Renaissance zur Mode wurde, erfanden die Skabiosen das kunstvolle Falten von Blütenvorblättern zu einem gekrausten „Überrock“. Erst wenn das violette oder gelbe Sommerkleid fällt, kommt der für Skabiosen charakteristische Außenkelch mit einem häutigen Saum zur vollen Geltung. Während das Vorhandensein eines äußeren Kelches ein gemeinsames Merkmal in der Unterfamilie der Kardengewächse darstellt, gelang nur den Skabiosen (inkl. Grasskabiosen) der stilvolle Trick mit der aufgesetzten „Rüsche“. Dem naheverwandten Teufelsabbiss gelangen gerade einmal vier winzige Lappen und die Witwenblume blieb diesbezüglich nackt. Um im Herbst eine Skabiose sicher zu erkennen, bedarf es also nur eines „Gibt es Rüschen?“-Blickes!

Gut „gerüscht“ und somit eine Skabiose! Innerhalb der Kardengewächse besitzen nur Skabiosen einen durchgehenden Hautsaum auf dem Außenkelch. Die an kleine Krater erinnernden Innenkelche besitzen bei dieser Art keine Borsten, weshalb dieses Köpfchen nur einer Süd-Skabiose (S. triandra) gehören kann. So einfach kann Pflanzenbestimmung sein! (Foto: ©Vogt)

Hat man erst einmal die Rüschen vor Augen, fehlen nur noch fünf Fragen rund um die Kelchborsten, um die Skabiosenart meist ohne dem „Rest“ gut zu bestimmen.

Tab. oben: Die Tabelle hilft bei der Bestimmung heimischer Skabiosen (inkl. kultivierter Samt-Skabiose) an Hand der Innenkelchborsten. Auch wenn alle Laubblätter unkenntlich geworden sind, lässt sich die Art im Herbst so gut ermitteln.
Abb. oben: Gehört das Köpfchen zu einer Witwenblume oder Skabiose? Versuchen Sie eine Artbestimmung mit der Tabelle! [Hilfe: Die braunen Kelchborsten sind hier etwa doppelt so lang wie der Außenkelchsaum.] (Foto: ©Vogt)
Abb. oben: Ist die Pflanze rechts eine junge Acker-Witwenblume, die Kümmerform einer Tauben-Skabiose oder eine untypisch gefiederte Glanz-Skabiose? Das linke Bild zeigt ihren Fruchtstand mit verräterischen Kelchen. Zu welcher Art führen „Rüschenblick“ und Bestimmungstabelle? (Foto: Julische Alpen, ©Vogt) [Hilfe: Wesentlich sind die schwarzen und deutlich geflügelten, also nicht rundlichen Kelchborsten.]

Hält die Krätzenblume, was ihr Name verspricht?

Von sieben heimischen Gattungen in der Unterfamilie der Kardengewächse besitzt heute nur die namensgebende Karde (Dipsacus) selbst und mancherorts vielleicht noch der sagenumwobene Teufelsabbiss (Succisa) eine Bedeutung in der alpenländischen Volksheilkunde. Hätte man unserer Wild-Karde (Dipsacus fullonum) vor einiger Zeit nicht sehr großzügig die Wesenseigenschaften der Chinesischen Karde (Dipsacus asper) aus der TCM übertragen und im Falle von Lyme Borreliose dazu noch falsch verstanden, würde wahrscheinlich auch diese meist nur als Zierpflanze die Bauerngärten schmücken. Prompt die Skabiose, die als „Grindkraut“, „Krätzenkraut“, „Krätzenblume“ oder „Schurfkruid“ zur volksmedizinischen Anwendung bei Hauterkrankungen namentlich inspiriert, bleibt heute unbemerkt. Wie steht es eigentlich um die historische Evidenz für die Verwendung bei Dermatosen im und außerhalb des Alpenbogens?

Abb. oben: Hinter der Skabiose von Leonhard Fuchs (1543) (li.) verbirgt sich doch eher eine Acker-Witwenblume, wenn man die Behaarung sowie die Blattfiederung berücksichtigt. Hingegen ist der nahe verwandte Teufelsabbiss (r.) relativ gut getroffen. (Foto: Vogt)

Der Ursprung für die Anwendung von Skabiosen als ein Dermatikum liegt sehr wahrscheinlich in der arabisch-griechischen Medizin. Bereits im berühmten Circa instans, einem unter arabischen Einfluss entstandenen Lehrbuch der salernitanischen Heilpflanzenschule aus dem 12. Jahrhundert, findet man die äußere Anwendung des frischen Pflanzensaftes bei Hautleiden.

Zu den ältesten illustrierten Texten über die Verwendung von Skabiosen als Hautarznei zählt das „Kreutterbuch“ des bekannten Arztes und Botanikers Leonhard Fuchs aus dem 16. Jahrhundert, in welchem das „Apostemkraut“ (s.u.) als „sonderlich gut und nütz zu allerlei Grind“ für die äußere Anwendung empfohlen wird. Allerdings zeigt die Abbildung sehr wahrscheinlich eine Acker-Witwenblume. Auch Samuel Hahnemann setzt 250 Jahre später das „Apostemkraut“ mit einer „Ackerskabiose“ gleich und beschreibt diese mit „vierspaltigen Blumenkronen“, was botanisch nur für eine Witwenblume zutreffen kann. Von Anbeginn scheiterte die Trennung von Skabiosen und Witwenblumen offenbar am Zählen bis zur Fünf.

Abb. oben: Unter den 21 vermeintlichen Skabiosen im berühmten Werk von Caspar Bauhin von 1613 (i.A. J. Tabernaemontanus) haben sich erwartungsgemäß auch Witwenblumen eingeschlichen. Hinter den „Breit Skabiosen“ (li.) verbirgt sich vermutlich eine Wald-Witwenblume (K. maxima), die Abbildung in der Mitte zeigt mit 5-spaltigen Kronen sehr wahrscheinlich eine Tauben-Skabiose und mit den rechten „Alpskabiosen“ wurde offenbar eine Grasblättrige Skabiose (L. graminifolia) illustriert. (Fotos: ©Vogt)

Hinter der „ablösenden Kraft“ können die gattungstypischen, bei innerer Einnahme reflexsekretorisch wirksamen und bei äußerer Verwendung oberflächenaktiven Triterpensaponine vermutet werden. Auch kann spekuliert werden, ob die vorhandenen Bitterstoffe aus der Gruppe der Iridoid- und Secoiridoidglykoside zur Wirkung beitrugen. Für den gut erforschten Bitterstoff Amarogentin ist beispielsweise eine spezifische Rezeptoraktivierung in der menschlichen Haut bekannt, welche die Entwicklung von „Oberhautzellen“ (Keratinozyten) und damit wahrscheinlich auch die Wundheilung fördert. Der für Enziangewächse typische „Sprachstoff“ zeigt zudem eine klinisch relevante Hemmung von multiresistenten Staphyloccocus aureus –Stämmen, einem bekannten Problemkeim in der Dermatologie. Auch eine Balancierung des Hautimmunsystems durch Einflussnahme auf bestimmte T-Lymphozyten und Signalwege, könnte der Skabiose auf verschiedenem Weg gelingen. So konnte für die in der Pflanzengattung in nennenswerten Konzentrationen und zudem in wasserlöslicher Form vorliegenden Oleanolsäure im Neurodermitis-Lebendmodell eine relevante Gleichgewichtsherstellung zwischen T-Helferzellen vom Typ 1 und 2 nachgewiesen werden, die bei atopischen Erkrankungen gestört ist. Auch das für Skabiosen charakteristische und in allen Pflanzenteilen vorkommende Loganin, einem Vertreter der Iridoidglykoside, zeigt eine Hemmung überschießender TH2-Immunreaktionen, die hautallergischen Prozessen oft zugrunde liegt.

Abb. oben: Auf der iberischen Halbinsel werden die Blütenköpfchen der Samt-Skabiose (S. atropurpurea) in Form eines Teeaufgusses äußerlich bei Akne genutzt. Die bei Akne erforderliche Immunmodulation und Balancierung des Hautmikrobioms, anstelle einer undifferenzierten Desinfektion, könnte mit dem Skabiosen-Vielstoffsystem vielleicht gelingen. (Foto: P. D'Onofrio)

Wie bei jeder Pflanze ergibt die Einzelstoffbetrachtung eine Vielzahl an pharmakologisch möglichen Wirkungen, welche aber nur durch historische oder klinische Erfahrung Bedeutung erlangt. Berücksichtigt man den gegenwärtigen Gebrauch der Tauben-Skabiose bei Furunkeln in der katalanischen Volksheilkunde, die äußere Teeanwendung von Samt-Skabiosenblüten gegen Akne auf der Iberischen Halbinsel oder die rezente Nutzung der Stern-Skabiose (S. stellata) bei Fersenrissen in der marokkanischen Bevölkerung, erstreckt sich die historische Zeitspanne für die Skabiose als Hautarznei über mindestens acht Jahrhunderte. Die beachtliche historische Evidenz wird allerdings durch geographisch begrenzte Tradition, fehlende Übernahme in klassische Rezeptursammlungen des 20. Jahrhunderts und Fehlen moderner Monographien erheblich vermindert.

Von der äußeren Anwendung der Skabiose sollte man sich aus heutiger Sicht nicht die namentlich versprochene Wirkung eines „Apostemenkrautes“, also einer gegen „Apostemen“ wie Abszessen, Geschwüren oder eitrigen Dermatosen gerichteten Arznei erwarten, die eine massive und zudem systemische Immunmodulation verlangt, sondern vielmehr einen breit entzündungshemmenden Effekt. Sind wir von dem Grindkraut nun enttäuscht?

"Nicht von außen, sondern von innen findet man den wirkungsvollen Weg zur Haut."

Betrachtet man die unterschiedlichen „Grindkräuter“, „Grindwurzeln“ und „Grindhölzer“ der mitteleuropäischen Erfahrungsheilkunde wie Erdrauch, Geißraute, Klette, Arznei-Ehrenpreis, Meisterwurz, Faulbaum oder auch unsere Skabiose, wird schnell deutlich, dass nicht die äußere, sondern vielmehr die innere Anwendung bei chronischen Hauterkrankungen bedeutungsvoll ist. Tatsächlich leiten diese Pflanzen zur vergessenen Gruppe der „Antidyskratika“, also Mitteln zur Wiederherstellung des „Säftegleichgewichtes“ über, bei denen es nicht, wie gerne von der modernen Medizin unterstellt wird, um eine volkstümlich naive Vorstellung von Blutreinigung, sondern um eine Neuorientierung des Zellstoffwechsels durch Änderung von Genregulation und Enzymaktivität geht. So beruht beispielsweise die antidyskratische Wirkung des Löwenzahns weniger auf der harntreibenden Wirkung, sondern auf der Manipulation genetischer „Lesegeräte“ für den Fett- und Kohlenhydratestoffwechsel in Leber-, Fett- und Muskelzellen mit Konsequenzen bis auf die Ebene der Haut. Nicht von außen, sondern von innen findet man den langfristig wirkungsvollen Weg zur Haut. Die klinisch bekannte Wirksamkeit des Löwenzahns bei Störungen in der Hautebene wie Sebostase, Furunkeln, Karbunkeln, Mastitis oder adjuvant bei Abszessen zeigt seine ausgeprägte „Dermatotropie“.

Abb. oben: Bitterer Tiefgang: Die Wurzelabkochung der Süd-Skabiose bringt den „versteckten“ Enzian geschmacklich zum Vorschein. Dem Enzian fehlen allerdings die Skabiosen-typischen Triterpene und die Vielfalt an phenolischen Verbindungen, die gemeinsam ein wärmeres Wesen verleihen. (Foto: ©Vogt)

Auch die Skabiose lädt zum Weg von innen ein. Mit den bitteren „Enziantönen“, seifigen „Kardenklängen“ und einer Vielzahl an phenolischen Verbindungen mit Angriffspunkten im Immunsystem besitzt auch die Skabiose die prinzipiellen Voraussetzungen für ein „dermatotropes Antidyskratikum“, also einem Umstimmungsmittel für die Haut. Traditionelle Bitterstoffdrogen mit Secoiridoiden beschränken sich im Alpenraum auf geschützte Enziangewächse, den Fieberklee und den Olivenbaum, was die Skabiose interessant macht, wenn ein nicht ganz so „kaltes Wesen“ gewünscht wird.

Ein Grindkraut gegen Husten?

Hat man erst einmal Wesen und Prinzip einer Arznei verstanden, öffnen sich auch gänzlich neue Indikationen. Nach dem bekannten Arzt und Botaniker Jacobus Theodorus Tabernaemontanus wurde die „zerteilende und reinigende Kraft“ der Skabiose auch bei „kaltem Husten“ und Verschleimung beispielsweise in Kombination mit Süßholz, Huflattich, Ysop, Jujube und Feigen empfohlen. Die Anwendung der Tauben-Skabiose bei Atemwegsinfekten ist noch heute in Lesotho (S-Afrika) und auf der iberischen Halbinsel als Wurzel- und Krautdroge ethnomedizinisch verankert. Abgesehen von der aktuell überzogenen Risikoeinschätzung von Huflattichblättern als Quelle für lebertoxische Pyrrolizidinalkaloide ist die Rezeptur weitgehend unbedenklich, da hier Ysopkraut und nicht sein isoliertes Etherische Öl mit Pinocamphon genutzt wird. Man erkennt die Vereinigung von spasmolytischen (Süßholz), sekretolytischen (Süßholz, Skabiose, Ysop), schleimhautprotektiven (Süßholz, Huflattich) und nährenden Prinzipien (Jujube, Feige), wie sie beispielsweise bei erschöpfenden, chronischen Bronchitiden zum Einsatz kommen könnte. Die Skabiose erweitert die Kombination mit bitteren „Enziantönen“, deren immunmodulatorische und reflexsekretolytische Wirkung bei Bronchitiden und Sinusitiden vom Gelb-Enzian her klinisch bekannt sind.

Abb. oben: Ähnlich wie die Braunelle, wurde die Tauben-Skabiose einst gezielt gegen die „Halsbräune“ (Diphterie) eingesetzt. Bei harmlosen Atemwegsinfekten wird sie heute noch im südlichen Afrika und auf der iberischen Halbinsel verwendet. Der Fruchtstand kann mit einer Glanz-Skabiose verwechselt werden, die allerdings stärker abgeflachte bis geflügelte Kelchborsten besitzt. (Foto: ©Vogt)

Ein Grindkraut findet die Leber

Während die arabisch-griechische Medizin vor achthundert Jahren in den Skabiosen eine Hautarznei entdeckte, führt die mongolische und tibetanische Medizintradition ins Innere zur Leber. Die Asiaten erkannten in ihren Skabiosen, bei denen es sich heute botanisch um zahlreiche Synonyme für die „Japanskabiose“ (S. comosa) handelt, eine thermisch kühle und im Funktionskreis Leber „Hitze klärende“ Arznei. Mit dieser Verortung erschlossen sich nicht nur Erkrankungen der Leber selbst, sondern auch von ihr mitbestimmte periphere „Hitzestörungen“ wie z.B. Augenentzündungen, Kopfschmerz oder Fieber. Ähnliche Wesenseigenschaften und daher ähnliche Indikationen findet man beispielsweise bei Löwenzahn, Enzian, Braunelle oder Gardenie in der TCM, für die auch alle eine „Leberwirksamkeit“ wissenschaftlich belegt ist. 

Abb. oben: Die Blütenstände der „Japanskabiose“ (S. comosa) gelten in der mongolischen und tibetanischen Erfahrungsheilkunde als „hitzeklärend“ im Funktionskreis Leber und werden deshalb bei Augenentzündungen, Kopfschmerz und Fieber eingesetzt. Die moderne Forschung bestätigt die leberschützende Wirkung der Droge. (Foto: B. Byambajav)

Aus pharmakologischer Sicht finden Skabiosen mit bitteren „Enziantönen“, Triterpenen und Flavonoiden den Weg zur Leber. Im Leberintoxikationsmodell mit Tetrachlorkohlenstoff, welches bereits für viele Arzneipflanzen wie Mariendistel, Gardenie oder verschiedenen Enzianarten zum in-vivo Nachweis ihrer leberschützenden Wirkung diente, zeigt das Vielstoffsystem der Japan-Skabiose deutliche entzündungshemmende, Transaminasen-senkende und antifibrotische Eigenschaften. Vielleicht trifft sich die arabisch-griechische und asiatische Medizin am Ende in der Leber, die zahlreiche Wege zu Kopf und Haut beschreitet.

Die Skabiose wird am Ende trotz Enzianbitterstoffen weder ein „zarter Enzian“, noch durch Karden-typische Seifenstoffe eine „schüchterne Karde“, sondern behält thermisch, geschmacklich, phytochemisch und auch historisch ihr ganz eigenes Köpfchen.

Abb. oben: Herbsternte einer Glanz-Skabiose. Eine Abkochung des Wurzelstockes erinnert geschmacklich an die Wild-Karde, wenn gleich auch weniger bitter. Noch größer liegt der Unterschied zur Chinesischen Karde mit ihrem warm-bitteren Wesen. Die phytochemische Überlappung von Skabiosen und Karden im Bereich von Triterpensaponinen und Monoterpenglykosiden ist gut bekannt. Dennoch bestehen deutlich stoffliche, thermische und geschmackliche Unterschiede. (Foto: ©Vogt)

Man kann es niemanden verübeln, der keine Kronzipfel zählen mag und lebenslang bei „einer Knopfblume“ verharrt. Die alpenländische Volksheilkunde blieb deshalb aber stehen und hat einmal mehr eine potentielle und urheimische Arzneipflanzengattung verloren. Mit dem „Rüschenblick“ gelingt vielleicht eine erneute Annäherung an ein Grindkraut mit Enzian- und Kardenklang.

Einen rüschenreichen Herbst wünscht Phytagoras!

Abb. oben: Übersicht heimischer Gattungen und ausgewählter Artvertreter in der Unterfamilie der Kardengewächse. Endemiten sowie die Gattung Schuppenkopf wurde nicht berücksichtigt. (Graphik: ©Vogt)