Basislehrgang Phytotherapie 2025-2026
Verantwortungsvolle Heilpflanzenkunde durch Hintergrundwissen
- Zeitbedarf: 9 Freitag/Samstag-Module (rund 125 UE)
- Uhrzeiten: Fr 14:00 – 19:30, Sa 9:00 – 17:00
- Termine: 11/12. Apr, 09/10. Mai, 13/14. Jun, 11/12. Jul, 26/27. Sept, 24/25. Okt, 21/22. Nov, 16/17. Jan 2026, 13/14. Feb 2026
- Preis: € 980,-
- Teilnehmerzahl: 11 bis max. 13 Teilnehmer*Innen
- Ort: 9161 Maria Rain & 9170 Ferlach, Kärnten, Austria
- Kursbegleitbuch: Leitfaden Phytotherapie, Heinz Schilcher, 5. Auflage, Urban & Fischer; Leitfaden Chinesische Phytotherapie, Hempen C. u. Fischer T., 2. Auflage, Urban & Fischer
Referent: Mag. Dietmar Vogt
Kursbeschreibung
Der 125 Unterrichtseinheiten umfassende Basislehrgang Phytotherapie vermittelt in sieben nach Organsystemen eingeteilten Modulen die Basis für einen verantwortungsvollen, zeitgemäßen und differenzierten Umgang mit Arzneipflanzen. In zwei Einführungsmodulen werden erforderliche Grundlagen und Merkmale der rationalen Phytotherapie (sekundäre Inhaltsstoffe, Magistrale Rezeptur, Dosierung, traditionelle Medizinkonzepte, etc.) zuvor erarbeitet.
Im Kursmittelpunkt steht das Verständnis für die Einflussnahme von Arzneipflanzen auf Vorgänge im menschlichen Körper sowie das Erkennen von Wirkprinzipien und Wesenseigenschaften von bewährten Pflanzendrogen. Dadurch gelingt eine differenzierte Arzneipflanzenauswahl für eine begründbare, zielgerechte und auf das Individuum abgestimmte Phytotherapie.
Nachdem die Freie Rezeptur das „Herzstück“ der Phytotherapie zum Erlangen einer individualisierten Medizin bildet, ist das gemeinsame Rezepturtraining an Hand von Fallbeispielen ein zentrales Anliegen dieses Lehrganges. Auch die gemeinsame Evaluierung von historischen und modernen Rezepten soll die Teilnehmer*Innen zu einer reflektierten und verantwortungsvollen Rezeptentwicklung hinführen. Aus diesem Grund werden auch Fragen zu Dosierung, Nebenwirkungen und Kontraindikationen ausreichend thematisiert.
Die Abgrenzung zu vielen anderen Kursen zur Heilpflanzenkunde besteht nicht nur im gebührenden Einbezug von pharmakologischen und medizinischen Überlegungen, sondern auch in der Öffnung für andere Medizintraditionen. Neben europäischen Arzneipflanzen werden auch gut verfügbare und klinisch bewährte asiatische Heilpflanzen (z.B. Rotwurzel-Salbei, Asiatischer Wassernabel, Mongolischer Tragant) sowie Konzepte der traditionellen chinesischen und der nordamerikanischen Phytotherapie in den Lehrgang mitaufgenommen, um Indikationsgebiete zu erschließen, die in der europäischen Phytotherapie fehlen.
Darüber hinaus fließen in den Lehrgang fortlaufend neue wissenschaftliche Erkenntnisse, aktualisierte Leitlinien oder geänderte Lehrmeinungen dynamisch ein.
Am Ende vermögen wir dem Wunder Pflanze nicht das letzte Geheimnis seiner Wirkung zu entlocken, schaffen aber die Voraussetzung für eine verantwortungsvolle und individualisierbare Phytopraxis.
Kursaufbau
Modul | Inhalte | Monat |
1 | Einführung in die rationale Phytotherapie (Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe Teil 1, Phytopharmakologie, Monographien und Quellen, Historische Übersicht) | April 2025 |
2 | Grundlagen der rationalen Phytotherapie (Magistrales Rezeptieren, Dosierung, Strategien der Phytotherapie, Terminologie, Pflanzeninhaltsstoffe Teil 2, Chemoökotypen) | Mai 2025 |
3 | Funktionskreis Niere und Urogenitalsystem in der Phytopraxis (Aquaretika, Desinfizienzien, Phyto-SERM, gonadotrope Pflanzenstoffe) | Juni 2025 |
4 | „Herzliche Pflanzen“: Das Herz-Kreislaufsystem in der Phytopraxis (Kardiaka, Rheologika und Vasoprotektiva) | Juli 2025 |
5 | Funktionskreis Leber in der Phytopraxis (Amara, Antifibrotika, Cholagoga, Hepatoprotektiva) | September 2025 |
6 | Funktionskreise Magen, Dünndarm u. Dickdarm in der Phytopraxis (Karminativa, Laxantien, Mukosaprotektiva, Ulkusprotektiva) | Oktober 2025 |
7 | “Geistreiche Pflanzen”: Nervensystem und Psyche in der Phytopraxis (Adaptogena, Analgetika, Nervina, Neuroprotektiva) | November 2025 |
8 | Die Haut in der Phytopraxis (Topische und systemische Dermatika inkl. „dermatotrope Antidyskratika“, Antipruritika u. Immunmodulatoren) | Jänner 2026 |
9 | Störungen des Immunsystems in der Phytopraxis (Schwerpunkte nach Absprache mit Teilnehmer*Innen: z.B. Autoimmunerkrankungen, Autoinflammatorische Störungen, Allergien, Osteoimmunologie, Add-on Therapie und Leitlinien bei Neoplasien, etc.) | Februar 2026 |
Über den Geist der Kurses
"Die Phytotherapie benötigt wieder Nähe zur ihren Pflanzen!"
Zu keiner Zeit der angewandten Heilpflanzenkunde war die Distanz zwischen Pflanze und Mensch größer als heute. Fertigpräparate, Standardzulassungen und zunehmend auch Nahrungsergänzungsmittel ersetzen die individuelle, sogenannte magistrale Rezeptur. Damit läuft die westliche Phytotherapie gegenwärtig Gefahr, ihre größte Stärke zu verlieren: Die auf den einzelnen Menschen individuell abgestimmte Drogenauswahl und Kombination zum Erreichen einer personalisierten Medizin. In einer solchen finden nicht nur Befunde, sondern auch individuelle Befindlichkeiten, Konstitutionen, Expositionen und klinische Besonderheiten gebührend Raum.
Zu den wirkungsvollsten, medizinhistorisch bedeutsamsten, am besten verfügbaren, von pharmazeutischer Industrie und technischem Gerät unabhängigsten und dabei hervorragend für die Individualisierung geeigneten Arzneiformen zählt der oft verkannte Tee. Durch unzureichende Drogenkenntnis, mangelndes phytopharmakologiches Verständnis und fehlende Praxis verschwindet der personalisierte Arzneitee immer mehr aus der Phytotherapie und wird durch schlecht individualisierbare „Fertiglösungen“ ersetzt. Aus diesem Grund wird das freie bzw. magistrale Rezeptieren im Lehrgang vorrangig mit Teedrogen durchgenommen.
"Auf den Vielklang der Pflanze, anstatt auf Einzeltöne hören!"
In der Regel bildet nicht ein Einzelstoff, sondern das Vielstoffsystem der Pflanze das wirksame Prinzip, mit dem oft mehrerer Angriffspunkte einer Störung vielschichtig erreicht werden können. Zu den bekanntesten Beispielen dieser Multitarget-Wirkung zählen z.B. Weißdorn, Ginkgo oder Rotwurzel-Salbei bei kardiovaskulären Erkrankungen, Echt-Johanniskraut bei milder Depression, Echt-Goldrute bei Harnwegsinfekten oder Mariendistel bei metabolisch-toxischen Lebererkrankungen. Dabei begründen Synergien und Antagonismen im pflanzlichen Vielstoffsystem die gute Verträglichkeit und regulatorische Wirkung.
„Mit der freien Rezeptur vermag die Phytotherapie neue Erkenntnisse aus Forschung und Erfahrung unmittelbar, autark und individualisiert umzusetzen.“
Ein Vorzug der magistralen Rezeptur besteht in der Unabhängigkeit von der pharmazeutischen Industrie und in der unmittelbaren Reaktionsmöglichkeit auf neue Erkenntnisse aus Forschung oder Erfahrung, lange bevor ein entsprechendes Fertigpräparat entwickelt und zugelassen wird. So benötigte es beispielsweise Jahrzehnte, bis die traditionelle Nutzung von Olivenblättern bei Herz-Kreislauferkrankungen in Tiermodellen auf ihre Wirksamkeit untersucht wurde und weitere Jahre, bis Effizienz und Unbedenklichkeit in humanklinischen Studien bestätigt wurde. Da der europäische Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel bereits 2011 Olivenblätter als traditionelles Heilmittel anerkannte, wurde der Gesundheitsindustrie der rechtliche Weg zu entsprechenden Produkten in diesem Fall geebnet. Wie sieht es aber weltweit mit hunderten bis tausenden traditionellen Arzneipflanzen aus, die sich medizinhistorisch und in der ärztlichen Praxis bewährt haben und deren Wirkung auch pharmakologisch plausibel ist, wo aber Monographien, humanklinische Studien oder Fertigpräparate fehlen?
Im Lehrgang werden auch traditionelle Heilpflanzen ohne europäische Monographien oder verfügbare Fertigarzneien mit der erforderlichen Tiefe vorgestellt, um mit ihnen neue Indikationsgebiete verantwortungsvoll zu erschließen.
"Die Phytotherapie bietet einen Vielzahl an sehr spezifischen und kausalen Zugängen für eine gut verträgliche Begleittherapie an."
In der konventionellen Medizin steht bei vielen Erkrankungen oft nur eine unbefriedigende symptomatische Therapie zur Verfügung, auch wenn für gut verträgliche traditionelle Heilpflanzen eine spezifische und relevante Einflussnahme auf zu Grunde liegender Krankheitsprozesse bereits experimentell oder klinisch beobachtet wurde. Unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und Interaktionen bieten sich solche Pflanzen oft für eine Begleittherapie an. Ein gutes Beispiel liefert die Süßholzwurzel in der Add-on-Therapie bei rheumatischen Beschwerden oder Asthma, die nicht nur auf einem breit entzündungshemmenden Effekt durch Interaktion mit dem körpereigenen Glukokortikoidsystem beruht, sondern ein bei Autoimmunerkrankungen und Allergien überaktives „molekulares Lesegerät“ unseres Körpers spezifisch blockiert. Im Unterschied zu einem (in der EU nicht verfügbaren) Monopräparat mit wirksamkeitsbestimmender Glycyrrhizinsäure, könnte der Arzt oder Therapeut im Falle von Asthma die bestens für die Teezubereitung geeignete Süßholzwurzel mit traditionellen oder experimentellen antiasthmatischen Pflanzen wie Baikal-Helmkraut, Tataren-Aster oder Mongolisch-Tragant individuell kombinieren.
Ein ebenfalls gutes Beispiel für Chancen der pflanzlichen Begleitherapie betrifft die chronische Nierenerkrankung. Bisher existiert kein synthetischer Wirkstoff, der die Veränderung von sog. Füßchenzellen und damit den Funktionsverlust der Filtrationsbarriere in den Nierenkörperchen unterbindet. Für die Kombination aus Klettenfrüchten und Tragantwurzel konnte bei Personen mit nephrotischem Syndrom ein klinisch relevanter Schutz für Füßchenzellen nachgewiesen werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es jemals ein Fertigarzneimittel aus den beiden gut verfügbaren und seit Jahrhunderten in Asien genutzten Pflanzendrogen geben wird.
Im Lehrgang werden die Teilnehmer*Innen nicht nur mit banalen, sondern auch mit komplexeren Störungen konfrontiert, um Chancen und Grenzen der Phytotherapie einschätzen zu lernen.
"Die Kenntnis über Wirkprinzipien ermöglicht die Loslösung von Heilpflanzen aus einseitigen Konzepten und schafft neue Wege für die Phytotherapie."
Hat man typische Wirkprinzipien und Wirkmechanismen von traditionellen Heilpflanzen bei einer bestimmten Störung verstanden, lassen sich diese auch oft für andere Indikationsgebiete sinnvoll nutzen. So birgt z.B. die Chinesische Engelwurz ein vielschichtiges gefäßwirksames Prinzip, welches nicht nur traditionell bei krampfartigen Regelschmerzen, sondern auch bei Raynaud-Syndrom, Kopfschmerz, Migräne oder in der Nachversorgung von Ischämien plausibel genutzt werden kann.
Auch die oft übersehene Klein-Braunelle liefert ein gutes Beispiel dafür, wie man ein und dasselbe Prinzip für verschiedene Störungen verwenden kann. Sie wird in der rezenten chinesischen Phytotherapie als „Hitze klärende Arznei“ z.B. bei arterieller Hypertonie oder bei bestimmten Augenentzündungen mit klinischem Erfolg eingesetzt. In beiden Fällen beruht die Wirkung auf einer Interaktion des Vielstoffsystems mit unterschiedlichen Prozessen an der Gefäßinnenwand. Neben einer Gefäßerweiterung wird das „Andocken“ von entzündungsfördernden Immunzellen an der Gefäßwand verhindert, in dem ihre beiden bedeutsamsten molekularen „Enterhaken“ blockiert werden. Darüber hinaus bremst die Klein-Braunelle das Lesen von Genen, die bei Sauerstoffmangel eine krankhafte Gefäßneubildung einleiten. Hat man das Prinzip der gut verträglichen Klein-Braunelle einmal verstanden, lässt sich die Droge z.B. auch bei diabetischer Retinopathie, feuchter Makuladegeneration, Atherosklerose, Vaskulitiden oder bei Endometriose pharmakologische plausibel nutzen.
Der Lehrgang bemüht sich um eine Darstellung von Heilpflanzen mit ihren charakteristischen Prinzipien, um diese auch befreit von vorgefertigten Konzepten, beschränkten Erfahrungen oder unvollständigen Monographien begründbar nutzen zu können.
"Fremden Medizintraditionen und historischen Überlieferungen respektvoll und konstruktiv begegnen!"
Ein Anliegen des Ausbildungen ist die neugierige und konstruktive Auseinandersetzung mit historischen Erfahrungen der eigenen sowie anderer Medizintraditionen. Die moderne europäische Phytotherapie besitzt in vielen Indikationsgebieten unzureichende Erfahrung und hat den Anschluss an eigene Traditionen verloren und verschließt sich auch vielfach fremden Medizintraditionen.
„Die Phytotherapie schafft den Boden für einen verantwortungsvollen Umgang mit Heilpflanzen und dadurch auch mit Menschen."
Erfreulicherweise erlangen zunehmend mehr Menschen in diversen Kursen zu Volksheilkunde, Klosterheilkunde oder Kräuterpädagoik neben botanischen Kenntnissen auch galenische Fertigkeiten zur eigenen Herstellung pflanzlicher Darreichungen und werden mitunter zur Verwendung potenter Arzneipflanzen ermutigt. Bald ist der eigene Heilpflanzengarten angelegt oder man hat sich in die umliegende Flora eingearbeitet. Doch wie geht es dann weiter?
Nicht selten vermögen Heilpflanzeninteressierte nicht zwischen unbedenklich sinnvollen, unbedenklich zielverfehlenden und potentiell gefährlichen Empfehlungen und Rezepturen zu unterscheiden, die heute in einer unüberschaubaren Menge in Laienliteratur, Zeitschriften und Internetauftritten kursieren.
Manche Absolventen erkennen, dass eine verantwortungsvolle und zielgerichtete Verwendung von Arzneipflanzen mehr Hintergrundwissen erfordert, als die meist auf Artkenntnis, Volksheilkunde oder Medizingeschichte fokussierten Ausbildungen in Österreich erschließen. Anderen bleibt unbewusst, dass die Grenze zwischen harmlosen volksheilkundlichen Ratschlägen und ernsthaftem Eingriff in den Biologie des Menschen sehr schnell verschwimmt.
Zielgruppe
Der Kurs richtet sich an zwei Seiten von an Heilpflanzenkunde interessierten Menschen: An ÄrztInnen und TherapeutInnen mit dem Wunsch und der Berechtigung zur Implementierung der Phytotherapie in ihre Arbeit sowie an Personen, die über Botanik, Volksheilkunde oder Kräuterpädagogik den Weg zur Arzneipflanze gefunden haben und das Wissen für sich selber nutzen möchten.
Praxis
Der Praxisteil besteht in der Evaluierung und Adaptierung historischer und rezenter Rezepturen sowie in der gemeinsamen Entwicklung von magistralen Rezepturen und Strategien zu ausgewählten Fallbeispielen. Die Teilnehmer*Innen sollen durch begründete Drogenauswahl und klare therapeutische Zielsetzung die Scheu vor dem freien Rezeptieren ablegen. Darüber hinaus werden einfache Dosis- und Wirkstoff-Berechnungen wiederholt in den Lehrgang eingebunden.
Rechtslage
Aus der Kursteilnahme ergibt sich keine Berechtigung zur gewerblichen Praktizierung der Phytotherapie.
- Veranstaltungsort 1: Haus der Begegnung, Einsiedlerweg 1, 9161 Maria Rain, Kärnten
- Veranstaltungsort 2: Pfarrhofgasse 4, 9170 Ferlach, Kärnten